Alladin und die Wunderlampen - 27. April 2010

Wie wenn ein Mullah um fünf nicht schon genug schlimm wäre, haben wir ein Hotel in der Mitte von Sur bezogen, welches eingekreist von vier Moscheen ist. Dies bedeutet, dass der Tag von vier Geistlichen gleichzeitig eingerufen („eingeläutet“ kann man ja nicht sagen) wird, die wiederum allesamt einander mit ihrem Gesang konkurrieren. Mich erinnert die Geräuschkulisse mehr an das Einstimmen eines grossen Orchesters, als an ein spirituelles Ritual. Zudem habe ich fürchterliches Bauchweh. Ob das am gestrigen Essen oder an der frühmorgendlichen Katzenmusik vom Minarett liegt, weiss ich nicht. Jedenfalls genügend Zeit und Muse, mich über das gestern Entdeckte zu äussern.


Ich liebe Städte wie Sur. Diese sind authentisch, Lokale bummeln in den Strassen, die Barbergeschäfte haben Zulauf (mitunter meiner drei Männer) und die Strassen-restaurants sind gut besucht. Frauen hat es ausser mir kaum auf der Strasse, dafür umso mehr arabische Männer. Diese sind so gepflegt, dass selbst die Italiener daneben schlampig ausschauen würden. Hochgewachsen in weissen wallenden Gewändern schweben sie richtiggehend durch die Gassen.


Wir entdecken ein Parfümgeschäft. Schon das Schaufenster fasziniert, denn die Flaçons sind so was von kunstvoll. Die Farben- und Formen-Vielfalt bringt mich ins Staunen. Einfach wundervoll, richtig kleine Wunderlampen. Die Kunstwerke erinnern an Geschichten aus Tausendundeinernacht, Sindbad und Alladin gleichzeitig. Von der Neugierde geweckt, betreten wir das einmalige Geschäft. Ein edel gekleideter Herr hat auf dem Tresen eine Auswahl verschiedener Düfte und Fläschchen vor sich, ein anderer, ebenfalls nobel gekleidet, berät ihn. Ich bin sicher, in diesem Laden stand noch nie eine Backpackerfamilie, denn der Verkäufer war so angetan von unserem Besuch, dass er mir ein Duft auf ein Papierdings spritzte. Ich nahm kräftig eine Nase voll. Auweija, das Moschus empfinde ich gar nicht als anreizend, erinnert es mich mehr an den Kuhstall in Neuseeland gemischt mit der schwarzen Flussschlacke Indiens.


Offenbar entnimmt er meiner begeisterten Miene, dass er sich etwas vertan hat und ruft die verhüllten Verkäuferin herbei. Diese erklärt mir, dass die Damen hier im Orient viel schwerere Düfte als wir Europäerinnen mögen und sie holt einen zart rosa Kristallflaçon und betupft mit dem Glasröhrchen meinen Unterarm. Dieses Mal bin ich etwas vorsichtiger mit dem kräftigen Einatmen. Ich rieche zauberhaft süssen Jasmin. Schon eher mein Gusto, obschon ich auch bei diesem Duft nicht ganz nachvollziehen kann, dass dieser liebesfördernd wirken soll, denn mich erinnert er an eine Meister Proper Flasche. Ich stelle mir vor, wie ich mich in so eine Duftwolke hülle und dafür Reto mit Gummihandschuhen, Kopftuch, Putzschürze und Wischmop im Schlafzimmer erwarte. Ich glaube, es wäre etwas kontraproduktiv und sehe daher vom Kauf ab.