Das Ende des Grauens - 1. Oktober 2009
Es gibt Dinge, die man an sich machen lässt, bei denen man die Leute kennen will, die das Geplante umsetzten. Und ich rede hier nicht vom Herzchirurgen, sondern es geht lediglich um dem Coiffeur. Ich weiss schon seit Wochen, dass ich meine Ansätze färben lassen muss. Ich bin mit vorrückendem Alter am dunkler und dunkler werden. Es hat sogar auch schon ein paar graue Strähnen darunter, diese kann man aber nach wie vor an einer Hand abzählen! Coiffeursalons gibt es überall in Nordamerika, das Problem ist, ich lasse nicht jeden an meine Haare.
Wer jetzt denkt: „Typisch Frau.“, der irrt! Denn schon Mani Matter hat das Problem des Coiffeurbesuches besungen. Es ist also geschlechterübergreifend. Ohne Vertrauen geht da nichts. Die Haare sind einem wichtig, selbst auf einer Weltreise, wo man sein Gepäck auf das absolute Minimum gekürzt hat, nur noch ein paar Schuhe besitzt und die Farbkombination der getragenen Kleider oftmals der Willkür überlassen muss.
Wo immer ich bin, schaue ich in Salons hinein, doch meistens stimmt etwas für mich nicht. Ich kann nicht wirklich sagen, was... (den Spiegel kann ich ausschliessen). Ich überlege mir ernsthaft, die Radikallösung: Haare kurz schneiden. Das würde mir einiges ersparen auf der restlichen Reise. Die Vernunft und die Worte von meiner Coiffeuse in Bremgarten im Ohr, die mir erklärte, ich solle ja nicht auf die Idee einer Kurzhaarfrisur kommen, lassen mich weitersuchen.
Beim Rodeo in St. Tite stelle ich glücklich fest, dass hier viele Frauen Strähnchen haben, die meinen ähnlich sind. Es muss also Salons geben, die meinen Wunsch für zweifarbige Mèches erfüllen können. Doch leider kann ich auf dem gesamten Rodeoplatz zwischen all den Cowboyhut- und Stiefelständen und Pferdezubehörläden keinen einzigen Coiffeur ausmachen. Ich beschliesse zu warten, bis ich in Edmonton bin.
Dort angekommen, stelle ich enthusiastisch fest, dass meine Freundin Glena schöne Mèches in ihrem roten Haar hat, so liegt es auf der Hand, sie zu fragen, ob sie mir die Telefonnummer ihrer Stylistin geben kann.
Hier sitze ich nun, in einem Salon, der aussieht, wie wenn er schon einen Krieg miterlebt hätte, die Stühle sind alt und abgesessen, im Hintergrund hat es einen Wellensittich, der sich lautstark bemerkbar macht, das Oberteil der Coiffeuse hat Löcher und ihre Haare sind mit einem schwarzen unförmigen Hut abgedeckt. So musste sie sich heute Morgen wohl nicht frisieren... Ein metaphysisches Gruseln packt mich im Coiffeurgestühl, doch es ist bereits zu spät, den Salon zu verlassen, denn die erste Ladung Chemie trifft auf meine Haare.
Ich sitze mit aluminiumfolienverpackten Haarbüscheln auf dem Kopf auf einem unbequemen Stuhl und wir diskutieren angeregt. Plötzlich wird mir bewusst, dass die Coiffeuse nun von unserer Weltreise weiss und sich somit bewusst ist, dass ich nie wieder hierher kommen werde. Selbst wenn all meine Haare nach einer Woche abbrechen würden, könnte ich mich nicht beschweren kommen. Ich überlege mir, ob ich ihr das Trinkgeld schon jetzt zustecken soll.
Die Folien werden raus genommen, die Haare gewaschen, der Schnitt ist der schnellste, den ich je erlebte und ich stelle im Spiegel fest, dass ich mit dem Resultat mehr als glücklich bin. Sieht wirklich gut aus. Habe mal wieder Glück gehabt. Das Schlimmste am ganzen ist, dass ich das nächste Färben irgendwo in Asien machen lassen muss...