Der verlorene Brief - 9. November 2009

Wir fahren durch das malerische Neuseeland. Die Sonne strahlt und die Natur fasziniert alle im Auto Anwesenden. Welch ein herrlicher Tag und welch wundervolle Gegend. Wir fahren an abertausenden von Schafen vorbei, welche mit ihren Lämmern auf den grünen Matten stehen und das frische Gras geniessen. Die Jungtiere springen vergnügt umher und wir müssen alle paar hundert Meter einen Fotohalt machen!


Ich habe schon gemerkt, dass Andrin sehr still und nachdenklich war bis jetzt, da sagt er plötzlich:

„Du Mami, ich muss dir etwas sagen!“

„Was ist los?“, frage ich.

„Ich glaub, ich hab mein Portemonnaie verloren...“

„Wo?“

„Weiss ich nicht genau, glaube aber, dass ich es unter das Kissen im Hotelzimmer gesteckt hatte und am Morgen in Auckland, als es so eilte, wegen dem Weiterflug, habe ich vergessen, dieses raus zu nehmen.“

„Dann müssen wir sofort dem Hotel anrufen!“


Wir fahren ins nächste malerische Städtchen, auf der Suche nach einem offenen Internet oder einer Telefonkabine. Wie wir diese finden, rufe ich ins Hotel an, wo wir gestern Nacht abgestiegen waren. Ich erkläre der Dame, was wir vermissen und bitte sie, nachzuschauen. Ich soll in einer halben Stunde wieder anrufen, dann hätte sie die Putzfrau gefragt.


Andrin sitzt schon ganz traurig im Auto und wir versuchen ihn zu trösten mit Worten wie: „Zum Glück hattest du nicht viel Geld darin...“ „Lieber ein Portemonnaie verlieren, als ein Beinbruch...“


Da meint Roman: „Es geht Andrin nicht so sehr um das Geld...“

„Um was denn?“, frage ich.

„Ich hatte einen Brief darin, du weißt schon von wem...“, erklärt Andrin.


Och, nun verstehe ich, warum er so traurig ist! Diesen kann man natürlich nicht ersetzten.


Dreissig Minuten später rufe ich noch einmal im Hotel an. Die Dame meint, sie hätte nachgefragt, es sei aber kein Geldbeutel gefunden worden. Ich bitte sie eingehend, doch noch kurz selber nachzuschauen. Das Portemonnaie würde unter dem Bett liegen, welches nicht gebraucht wurde ... und die Putzfrau hat bestimmt nur in den Betten nachgeschaut, die wir benutzt hatten. Sie versteht mein Argument und stellt mich auf ‚Warten’. Ich sehe Andrin an, dass er immer nervöser wird. Je länger es dauert, umso mehr wird er sich bewusst, dass die Dame wohl mit einem negativen Entscheid zurückkommen wird.


Die Dame kommt wieder ans Telefon und meint: „Sorry, ich bin persönlich nachschauen gegangen, habe aber wirklich nichts gefunden.“ Andrins Augen werden feucht und er verkneift sich ein paar Tränen. Ich versuche ihn etwas zu trösten.


Zwei Tage später, die ganze Sache war schon fast vergessen und die Trauer über das verlorene Portemonnaie und dessen Inhalt überstanden, als die beiden Buben ihre Emails überprüfen. Andrin quitscht plötzlich vor Freude laut durch den Raum: „Mami, ich hab ein Email bekommen von Air Neuseeland! Ich habe mein Portemonnaie im Flugzeug verloren und jemand hat es gefunden!“


Wow! Es gibt noch wirklich ehrliche Menschen!