DIE Fahrt - 8. Oktober 2009
Wir waren schon oftmals in den Rocky Mountains, zu jeder Jahreszeit haben wir diese Berge schon besucht. Im Winter fuhren wir jeweils nach Banff, Jasper oder nach Vancouver um Ski zu fahren, im Sommer liebten wir diese Berge genauso und in der Vorweihnachtszeit verwöhnten wir uns mehrmals mit einem Hotelaufenthalt in Banff. Früher, als wir noch hier wohnten ... so lag es für uns auf der Hand, die alten Erinnerungen noch einmal mit den Kindern zu erleben und wir buchten für zwei Nächte das schöne Hotel in Banff.
Retos Hosenknopf sprang heute nach dem Morgenessen ab (Schuld daran ist das wundervolle, gute Essen bei Shirley!). Es kann ja nicht sein, dass er keine Hose hat, die er zubringt, so können wir unmöglich ins Hotel! Wir fahren somit nach einem sehr, sehr traurigen Abschied von Shirley und Mike nochmals in die Stadt, um eine neue Hose zu kaufen. Shirley und Mike folgen uns überraschend und so wird aus dem Kurzeinkauf ein Geschwatz von über einer Stunde...
Endlich sind wir aber auf der Strasse unterwegs in den Nationalpark. Wir biegen vor Red Deer gegen Westen ab und füllen unseren Autotank nochmals voll auf. Dass der Himmel wolkenüberzogen, die Temperaturen klirrend und die Wetterprognose schlecht sind, das haben wir schon gesehen. Wie wir an der Tankstelle aussteigen, überfällt uns ein Schneesturm aus dem Nichts. Nicht ein leises Rieseln, nein, ein Blizzard, bei dem einem die Sicht in minutenschnelle vereist und die Strasse einer weissen Daunendecke gleicht. Na bravo! Frau Holle will es heute wissen. Wir stellen uns auf eine lange Fahrt ein, holen sämtliches Schulmaterial aus unseren Rucksäcken.
Wir erinnern uns an eine Fahrt vor 12,5 Jahren, als Andrin 4-5 Monate alt war und wir ebenfalls in einem Schneesturm nach Banff fuhren. Die Fahrt dauerte acht Stunden dazumal und es war prekär. Wie wir dumme Witze darüber machen, dass heute alles in Ordnung sei, solange uns keine schneebedeckten Autos entgegen kommen würden... kommt uns das erste, zweite, dritte Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn entgegen, welches über 10 cm Schnee auf seinem Chassis mitträgt. Super, das kann ja heiter werden. Die Schneeflocken wechseln sich alle 10 km mit Eisregen und Schneegraupel ab.
Reto fährt vorsichtig, wohl wissend, dass wir mit einem Zweirad Kia unterwegs sind. Benzin haben wir ja zum Glück genug.
Plötzlich, wie wir in die Berge kommen, öffnet sich über uns der Himmel. Es ist alles um uns herum in eine frische weisse Schicht gehüllt. Wir halten an, die Kinder werfen sich Schneebälle zu. Es ist bitter kalt. Wir rennen alle wieder händereibend zurück ins Auto. Die Wolkendecke öffnet sich weiter und die frisch verschneiten Rockys kommen zum Vorschein. Ich habe schon viele schöne Wettersituationen erlebt, doch nichts kommt diesem Schauspiel auch nur annähernd nahe. Ich denke an die Einfahrt in New York Harbor, diese war ebenbürdig. Es überkommt uns alle ein Glücksgefühl.
Wir fahren weiter, alle paar hundert Meter muss Reto eine Vollbremsung vollziehen, weil einer im Auto schreit: „Anhalten, muss Foto machen!“ Die Bremsen glühen und stinken... egal, die Luft ist so klar, die Landschaft so unberührt, die Stimmung so wundervoll. Wir geniessen jede Minute der Fahrt und sobald wir denken, das war der allerschönste Ort, schöner kann es nicht mehr werden, so kommen wir in das nächste Tal, erblicken den nächsten Flusslauf, Rehe, ein Fuchs, ein Hirsch ... die Schönheit, die uns die Natur heute bietet, kann kaum mehr von auch nur irgend etwas übertrumpft werden.
Wir danken alle Reto, dass er die Fahrt um eine gute Stunde mit seinem Hosenkauf verzögert hat... wären wir wie geplant schon zur Mittagszeit abgefahren, hätten wir über die kiesbedeckten Schneestrassen fahren müssen und hätten dabei ausser Schneeflocken überhaupt nichts gesehen.
PS: Lieber Leser, Fotos vom 8.10.09 jetzt unbedingt geniessen!