Kulturschock - 22. April 2010

Ich bin keine Esotante und kein Hippy, auch bin ich nicht auf der Suche nach einem bärtigen Guru, der mir zu meinem inneren Selbst verhilft, drum glaube ich, gefällt mir Indien nicht. Wir ziehen jeweils los, um ein Land zu entdecken, abseits der Touristenfallen und des Pauschaltourismus ... und dies haben wir hier wiederum erreicht. Man sieht tagein, tagaus keinen anderen Weissen, die Menschen leben hier, arbeiten und sind einfach. Sie betrachten uns mit der selben Faszination, wie wir sie.


Das Indien, das wir antreffen, ist ein äusserst schwieriges Land. Arm und Reich liegen so nah beieinander, Elend und Luxus prägen jeweils das Stadtbild. Gestern fuhren wir während sechs Stunden von Aurangabad nach Pune. Was wir aus dem Busfenster sahen, erinnerte mich an Afrika vor 20 Jahren. Lehmhütten gehörten zu den Vorzeigebehausungen. Was ich nicht verstehen kann, ist wie die Inder mit der untersten Schicht Ihresgleichen umgehen. Sei es, ob ich im Buchungsbüro für den Bus stehe und ein Bettelkind vor dem Geschäft auf mich wartet, oder ob ich in einem Geschäft eine Wasserflasche kaufe, die Eigentümer verscheuchen die Bettler mit einer Aggressivität, die ich nie gegen einen anderen Menschen aufbringen könnte - und ich bin nicht sanftbeseitet.


Auch kann ich nicht verstehen, wie ein Inder an all diesem Elend vorbei fahren und sich am Abend ruhig zu Bett legen kann, ohne das System zu hinterfragen und den Ärmsten helfen zu wollen. Das Kastensystem sei hier nicht mehr existent, jeder könne alles erreichen, versucht man uns weiss zu machen - nicht ganz, was ich beobachte.


... und gerade, als ich denke, ich hätte alles gesehen, die schlimmsten Düfte eingeatmet und die ekelhaftesten Bilder aufgenommen, kommt es dick. Auf dem Platz vor dem Bahnhof von Pune (eine 3,5 Mio Stadt) hocken zwei Männer auf dem Boden, vor ihnen liegt ein offener Kanalisationsschacht und sie schöpfen mit ihren Händen und einer kleinen Kelle die angesammelte Scheisse aus dem Loch und packen diese in schwarze Plastiksäcke, die sie wiederum in einen Bahnhofscontainer schmeissen. Mir kehrt es beinahe den Magen und ich bedaure in diesem Moment, dass ich meine Kinder hier her gebracht habe.


Ich muss diese Bilder zuerst verdauen und die Eindrücke verarbeiten. Es waren zu viele Gegensätze, zu viel Egoismus, schlicht ein bisschen zu viel von allem...