Lebensschule vs. Schulleben - 13. Februar 2010

Einmal pro Monat schreibe ich einen Bericht im BBZ mit dem Schwerpunkt ,Schule‘. Hier eine Kopie des veröffentlichen Textes:


Vor über sechs Monaten haben wir mit unseren beiden Buben Andrin und Roman die Rucksäcke gepackt und uns aufgemacht, in einem Jahr einmal um den Globus zu reisen. Immer der Nase nach, so lautet unser Motto. Das Abenteuer begann in England, dort verschifften wir nach Amerika, durchquerten Kanada, flogen in die Südsee, fuhren quer durch Neuseeland und bereisten die Ostküste Australiens. Das Jahr 2010 brachte uns nach Asien, wo wir momentan in Thailand verweilen und in wenigen Tagen nach Kambodscha weiterreisen werden.


Um diese Reise zu ermöglichen, haben wir die Jungs per Urlaubsgesuch von der Kreisschule Mutschellen für ein Jahr dispensieren lassen. Ein Jahr ohne Schule, ein Jahr Ferien und nichts tun! So einfach geht das natürlich nicht. Denn unsere Söhne müssen nach den 12 Monaten auf dem gleichen Wissensstand sein, wie sie uns übergeben wurden. Wie wir schnell feststellen konnten, schreitet der Wissenszerfall schneller voran, als wir auf unserer Reise vorankommen!


Wir beschlossen daher, dass wir die beiden, wenn immer möglich, aber mindestens einmal wöchentlich, unterrichten. Zu Beginn der Reise sträubten sich beide Jungs massiv, sobald sie das Wort „Schule“ nur hörten. Uns Eltern als Lehrpersonen zu respektieren, war ungewohnt und nicht ganz einfach. Bemerkungen wie: „Bist du sicher Mami, dass du das weißt?“, oder: „Ach weißt du Papi, HEUTE macht man das GANZ ANDERS!“, mussten wir uns anhören. Nach ein paar Schultagen war aber die Rollenverteilung geklärt und sie freuten sich schon fast auf unser Programm.


Kilometerlange Fahrten werden jeweils als Unterrichtszeit genutzt. Deutsch, Mathematik und Französisch unterrichten wir aktiv, alle übrigen Fächer lernen sie durchs Reisen. Zum Beispiel studierten wir Gletscherverformungen vor Ort am Fusse des Mount Cooks in Neuseeland und diskutierten die Gezeiten am Beispiel der siebzehnmeter Flut an der Bay of Fundy in Kanada. Spätestens der Besuch des Arlington Friedhofs in Washington DC, USA und der Anblick abertausender weisser Grabsteine hat das Geschichtsinteresse unserer Söhne geweckt.


Ein Tagebuch muss jeder führen. Manchmal sind die Eindrücke so überwältigend, dass wir nur noch wie tot ins Bett fallen, aber das regelmässige Festhalten der Erlebnisse, das muss sein, da gibt es keine Ausnahme, denn die Berichte sind die Grundlage unseres Deutschunterrichts.


Beim Reisen tauchen Fragen auf: Woher kommt das Wort Taxi? Wann ist die Ananaserntezeit? Warum ist es in Toronto im Winter kälter als in Zürich, obwohl Toronto südlicher liegt? Wo liegt Hitler begraben? Warum schreiben die Thailänder das Jahr 2553? Wir haben es zur Regel gemacht, dass der, der die Frage aufwirft, sich um die Antwort bemühen muss. Mit Hilfe von lokalen Quellen oder dem Internet, beschafft sich jeder seine Antworten, die wir uns dann gegenseitig präsentieren. Das macht allen richtig Spass. So ersetzt die Schule des Lebens auf unserer Reise für ein Jahr das Schulleben. Gelernt wird trotzdem!


evelyne@messageinabottle.ch