Tagebuch einer Frachtschiffsreise Tag 10 - 12. April 2010

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Wetter: Sonnig

Seegang: ja, Wellen ca 1 Meter hoch

Frühstück: Ei mit Würstchen

Mittagessen: Bohnensuppe, Squids, panierter Fisch, Gemüse und Kartoffeln, Orangen

Nachtessen: Fleisch mit Paprika, Squids scharf (super fein!), Salat


Bevor ich ins Bett gehe, bringe ich einen Zettel zum First Offizier auf die Brücke mit der Bitte, uns zu wecken, falls die Crew Squidfischen geht. Um Mitternacht erreichen wir den Ankerplatz vor Pakistan. Der Hafen liegt in einer Flussmündung und kann daher von so grossen Schiffen, wie der Anke Ritscher, nachts nicht angefahren werden. Wir müssen bis um 5.30 Uhr ankern. Punkt 1.30 Uhr klingelt das Telefon: „Good Morning, die ersten Tintenfische sind gefangen.“ Na dann, nichts wie runter! Andrin kommt verschlafen aus seinem Zimmer in einer langen Hose. Ich frage ihn: „Warum hast du nicht die Kurzen angezogen?“ „Aber Mami, es ist doch Nacht!“ „Ja, aber wir sind vor Pakistan, hier ist es nicht kalt!“ Er geht sich so schnell, wie das eben als verschlafener Teenager geht, umziehen. Sein Fischerglück ist ihm dafür mehr als heil, zieht er innert Sekundenschnelle schon den ersten Squid aus dem Wasser und noch einen und noch einen. Das ist gemein, denn wir übrigen Braders fangen nichts. Irgendwann zieht Roman auch noch einen Spritzbeutel aus dem Wasser, zum Glück, somit ist die Nacht gerettet!


In der Dunkelheit laufen die ersten Fischerboote raus aufs Meer. Wenige Meter vor uns schaukeln sie in den Wellen derart stark, dass man schon lediglich durch deren Betrachtung seekrank werden könnte. Unsere mehrere zehntausend Tonnen schwere Anke Ritscher ist herzlich wenig beeindruckt von den meterhohen Wellen und schaukelt mehr beruhigend als magenkehrend auf der Meeresoberfläche hin und her.


Bedingt durch die tägliche Zeitanpassung, werde ich mir bewusst, wie nahe wir doch unterdessen schon an Europa sind. Nur noch 3 Stunden Unterschied! Die Lichter des Hafens von Pakistan, eigentlich keine Destination, die wir auf der Besuchsliste hatten, glitzern in der Weite und ich frage mich, was ich überhaupt von diesem Land hier weiss und komme zum Schluss, eigentlich gar nichts! Ich krame noch die Hauptstadt Islamabad aus einem Hirneck hervor und der Kaschmirkonflikt mit Indien war da auch mal vor Jahren in den Nachrichten aber dann ist bald mal gähnende Leere und dabei ist Pakistan gar nicht weit von der Schweiz entfernt. Wir hören zwar fast täglich über den Mittleren Osten in den News, doch sind es immer diese negativen Berichte, die einem zum Abstellen der Tagesschau verleiten. Warum kann man denn nicht zwischendurch mal etwas über Land und Leute erzählen, abgesehen von den Konflikten der Regierungen?


Will der Mensch nichts Positives hören? Es gäbe doch genug davon, zumal man die positiven Erinnerungen speichert und die negativen vergisst. So habe ich zum Beispiel, wenn ich ans Essen in meinem Internatsjahr zurückdenke, vor allem die feinen Nuss-Schoggistängeli mit den knusprigen Büürli am Nachmittag in bester Erinnerung und den ungeniessbaren Frass, den wir zweimal täglich vorgesetzt bekamen, ist vergessen. Wir können aus Zeit- und visatechnischen Gründen heute keinen Landgang unternehmen, ist auch gut so, Pakistan gilt nicht gerade als sicher. Trotzdem würde ich zu gerne etwas mehr über die Leute, die vor meinem Fenster arbeiten, die Leitern hoch kraxeln, schwitzen und leben, in Erfahrung bringen.


Werde dies nachholen, sobald ich wieder online bin!