Voyeurismus - 15. Februar 2010

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Neujahrstag in Vietnam und wir spazieren gemütlich den Sandstrand entlang. Vor uns ist Hochbetrieb! Hunderte von Kindern baden im Wasser, geniessen die starke Strömung, mieten Autopneus und spielen in den Wellen. Es fällt mir auf, dass sie alle neu eingekleidet sind und die bunte Kluft sehr stolz am Strand zur Schau stellen. Viele haben neue Jacken zum Neujahrswechsel bekommen, die sie tragen. Für mich ein etwas befremdendes Bild, denn ich schwitz mir das zuvor getrunkene Wasser aus allen Poren, mir läuft der Körpersaft nur so aus dem Leibe bei dieser Hitze und ich trage lediglich eine kurze Hose und ein T-Shirt.


Wir betrachten die Situation, das Treiben und die wundervolle Lebendigkeit. Um uns herum wird gelacht, gespielt, gezockt und man wünscht uns ein gutes Neues Jahr. Wir stehen mitten drin im Geschehen und mit der Video- und der Fotokamera bewaffnet, versuchen wir diesen vitalen Moment einzufangen.


Mich überkommt ein voyeuristisches Gefühl. Ist es richtig, die Menschen einfach so plump zu begaffen und das Fremde einzusaugen und aufzunehmen? Wie fühlen sich wohl die Leute um mich herum, wenn ich ihnen meine Linse vor die Nase drücke?


Wir stehen bei einer Strandverkäuferin an, denn wir wollen diese wundervollen Muscheln und Schnecken kosten, die sie verkauft. Gespannt blicken Reto und ich auf jede ihrer Handbewegungen, wie sie das Fleisch auslöst, mit was sie würzt und wie sie die Muscheln auf der Kohle kocht. Da merke ich plötzlich, dass Andrin und Roman verschwunden sind, ich kann sie nirgends mehr sehen. Ein ungutes Gefühl durchläuft meinen Körper. Ich rufe durch die angesammelte Menschenmenge: „Reto, weisst du wo unsere Buben sind?“ „Nein, ich sehe sie auch nirgends mehr!!“ Einen kurzen Moment der elterlichen Panik steigt in uns empor und da erblicken wir etwa Hundert Meter neben uns, wie Andrin und Roman je umringt von Jungendlichen in ihrem Alter posieren und für Fotos Modell stehen.


Ich stelle fest, dass auch um uns herum eine Menschentraube steht, nicht zum Betrachten der Köchin, sondern die beobachten uns! Wir sind zum Objekt geworden. Nicht wir fotografieren, sondern wir werden fotografiert. Denn hier an Strand ist auch nicht eine einzige andere weisse Haut auszumachen und vor allem keine 12 - 13 jährige! Kinder kommen angerannt: „Wie heisst du?“ „Wie alt bist du?“ „Woher kommt ihr?“ „Ich will dir ein gutes neues Jahr wünschen!“ Alle wollen unsere Hand schütteln und ein Foto mit uns machen!